Die richtige Kurbellänge - Tipps zum Ausprobieren
Die Kurbellänge hat entscheidenden Einfluss auf den Komfort auf dem Rad. So reduziert eine kürzere Kurbel die Beugung in den Kniegelenken und kann bei Hüft-Impingement von großem Vorteil sein. Doch welche Einbußen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit müssen akzeptiert werden, wenn sich für eine kürzere Kurbel entscheiden wird? Oder hat die kürzere Kurbel sogar Vorteile bei der Kraftübertragung auf die Pedale?

Keine geringere Leistungsfähigkeit durch kürzere Kurbellänge
Ein spanisches Forscherteam untersuchte den Energieverbrauch sowie die Herzfrequenz bei zwölf Rennradfahrer*innen. Diese führten Einheiten bei submaximaler Belastung von 150 W, 200 W und 250 W sowie einer konstanten Trittfrequenz von etwa 91 Umdrehungen pro Minute durch. Während dieser Einheiten nutzten die Athlet*innen unterschiedliche Kurbellängen von 165 mm bis 175 mm. Die Kurbellänge hatte dabei keinen Einfluss auf den Energieverbrauch oder die Herzfrequenz der Proband*innen. Eine kürzere Kurbel führt demnach nicht zu einer signifikant geringeren Leistungsfähigkeit und bringt mit Blick auf den Energieverbrauch auch keine Nachteile gegenüber einer längeren Kurbel mit.² Dieses Ergebnis bestätigt auch eine Untersuchung von 2002. Das Team untersuchte dabei Fahrten mit Kurbellängen von 145 mm bis 195 mm und konnte keinen signifikanten Unterschied in der Leistungsfähigkeit der Proband*innen feststellen.³
Ökonomischer fahren & Komfort steigern
Im Gegenteil: Während der Einheiten mit längerer Kurbel, konnten die Forscher*innen eine geringere Kraftübertragung in der Zugphase des Trittzyklus feststellen. Eine kürzere Kurbel führt zu einer Ökonomisierung beim Pedalieren und verteilt die Kraft gleichmäßiger auf die hintere Oberschenkelmuskulatur (Ischiokruralmuskulatur) und die vordere Oberschenkelmuskulatur (Quadrizeps).² Zum gleichen Ergebnis kam 2022 eine Gruppe von Wissenschaftler*innen, die zusätzlich darauf hinweisen, dass bei kürzerer Kurbellänge die Belastung auf die Knie- und Hüftgelenke sinkt, da diese weniger in extreme Beugepositionen gebracht werden. Das kann Schädigungen an den Gelenken reduzieren und den Komfort auf dem Rad steigern, wenn bereits Einschränkungen oder Verletzungen im Knie- oder Hüftgelenk vorliegen.⁴ Für Athlet*innen, die noch über wenig Erfahrung im Radsport verfügen, stellt es sich sogar noch extremer dar. Hier zeigte eine Studie aus 2021, dass bei submaximaler Belastung eine Kurbellänge von 145 mm eine Kraftsteigerung von 3-5,5% im Vergleich zu einer Kurbel mit einer Armlänge von 175 mm zur Folge hat. Vor allem ungeübte Radsportler*innen profitieren daher von einer kürzeren Kurbellänge.¹
Sprint & Kriterium
Mit Blick auf die Leistung nimmt der Bereich der Sprint- und Kriteriumsrennen eine besondere Rolle ein. Während eines solchen Rennens muss in sehr kurzer Zeit eine sehr hohe Kraft in der Beinmuskulatur generiert werden. Hierbei kann eine lange Kurbel eine solche schnelle Kraftentfaltung besser unterstützen als eine kürzere Kurbel. Sind also Sprintdistanzen oder auch Zielsprints zu erwarten, kann die lange Kurbel für den entscheidenden Vorteil an der Ziellinie sorgen.Fazit
Athlet*innen, die auf der Langstrecke unterwegs sind, können sich auf Grundlage dieser Erkenntnisse für eine kürzere Kurbellänge entscheiden. Hier profitieren vor allem Einsteiger*innen von den Vorteilen einer kürzeren Kurbel, da die neurologischen und muskulären Herausforderungen mit längerer Kurbel zunehmen. So können Ungeübte mit einer kürzeren Kurbel eher von einer ökonomischeren Fahrweise und besserer Leistung profitieren.
Tipps zum Ausprobieren
Diese Fragen können bei der Auswahl der richtigen Kurbel helfen:
“Habe ich Schmerzen oder Schädigungen in den Hüft- & oder Kniegelenken?”
Besonders bei Beschwerden in der Hüfte und in den Knien kann eine kürzere Kurbellänge große Vorteile bieten. Durch die reduziertere Beugung in diesen Gelenken können Schmerzen bei Schädigungen oder Problemen wie etwa Hüft-Impingement oder Kniearthrose reduziert und weitere Schädigungen wie etwa Labrum-Defekte an der Hüftgelenkspfanne vorgebeugt werden. Zudem ermöglicht eine kürzere Kurbel durch die daraus resultierende offenere Hüftposition in der Beugung häufig auch eine tiefere und aerodynamischre Lenkerposition.
“Welche Art von Ausfahrten oder Rennen möchte ich machen und welche Erwartungen habe ich an meine Leistung?”
Steigst du auf dein Rad und möchtest lange Ausfahrten bei relativ gleichbleibender Geschwindigkeit durchführen, kann eine kürzere Kurbel für dich passend sein. Gleiches gilt für Zeitfahrrennen und Triathlons. Fährst du hingegen eher kürzere Strecken und möchtest in dieser kurzen Zeit das Maximum an muskulärer Ausbelastung erreichen, überwiegen häufig die Vorteile einer längeren Kurbel. Hier solltest du auch an eventuelle Zielsprints denken, bei denen ein längerer Kurbelarm die entscheidenden Zentimeter an der Ziellinie bringen kann.
“Ich habe meine Kurbel gewechselt. Muss ich jetzt etwas beachten?”
Wenn sich die Kurbellänge ändert, kann das Auswirkungen auf die gesamte Sitzposition haben. So kommt etwa das Bein bei einer kürzeren Kurbel in eine weniger gestreckte Position. Die Konsequenz wäre daher, die Sitzposition zu erhöhen. Auch kann sich die horizontale Sitzposition nach einem Kurbelwechsel ändern. Bei Problemen oder Unklarheiten kann der Bikefitter oder die Bikefitterin um die Ecke helfen.
“Passt jede Kurbel an jeden Rahmen?”
Nein. Vor allem bei extremen Kurbellängen wie etwa jenseits der 180 Millimeter spielt die Rahmengeometrie eine große Rolle, um die Beinfreiheit nicht einzuschränken und einen Kontakt der Schuhe mit Vorderrad oder Hinterbaustreben zu vermeiden. In vielen Fällen ist ein Maßrahmen eine gute Möglichkeit, den Bedürfnissen des Fahrers oder der Fahrerin gerecht zu werden.
² Garcia-Lopez J., Ferrer V., Rivero Palomo V. & Ogueta-Alday A (2017): Acute effects of small changes in crank length on gross efficiency and pedalling technique during submaximal cycling. Journal of Sports Science, 35(14): 1328-1335.
³ McDaniel J., Durstine J. L., Hand G. A. & Martin J. C. (2002). Determinants of metabolic cost during submaximal cycling. Journal of Applied Physiology, 93(3): 823-828.
⁴ Park S., Roh, J., Hyeong J. & Kim S. (2022): Effect of crank length on biomechanical parameters and muscle activity during standing cycling. Journal of Sports Science, 40(2): 185-194.
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